Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
Die Psychologie des Schenkens
von Redaktion, am 12.12.2016
Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 12.12.2016
Nur noch ein paar Tage bis Weihnachten – nur noch ein paar Tage, um Geschenke zu besorgen. Denn Geschenke gehören zum Weihnachtsfest – und sie wollen gut ausgesucht sein, sonst steht einem womöglich Ärger ins Haus. Das weiß auch Prof. Dr. Simon Hahnzog, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Fresenius München: „Wenn wir beim Schenken normativ nicht übereinstimmen, dann kann es zu Konflikten kommen.“ Was das genau bedeutet und warum manche Menschen beim Schenken auch böse Absichten verfolgen, erklärt er im Interview.
Das lässt sich nur schwer beantworten. Ich würde aber sagen: Wir haben schon immer geschenkt. Das zeigt sich, wenn man einen Blick in alte Bücher wirft – zum Beispiel in die Bibel: Gott hat einst den Menschen den heiligen Geist und später seinen Sohn geschenkt. Oder nehmen Sie die Apostelgeschichte, in der Jesus mit den Worten zitiert wird: „Geben ist seliger denn Nehmen.“
Deswegen glaube ich, Schenken ist seit jeher eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Was sich vielleicht im Laufe der Zeit verändert hat – allerdings kann ich das nicht mit Bestimmtheit sagen –, ist, dass das Schenken heute einen stärker finanziellen Charakter hat. Aber nur weil wir mehr Geld ausgeben, heißt das ja noch nicht, dass wir mehr schenken. Ich kann mich zum Beispiel noch gut daran erinnern, dass meine Oma mir früher immer 20 Euro zu Weihnachten geschenkt hat. Andere haben vielleicht mehr für mich ausgegeben, meine Oma aber hatte kaum Geld. Dieses Geschenk war für mich deshalb von unglaublich hohem Wert. Sie hatte sich dieses Geld mühsam zusammengespart, um mir etwas Gutes zu tun.
Ich denke, hier müssen wir zwei Aspekte berücksichtigen. Zum einen gibt es eine kulturunabhängige Eigenschaft des Menschen, in der Psychologie bezeichnet man sie als „Reziprozitätsnorm“. Ein komplizierter Begriff. Doch dahinter verbirgt sich genau das, worauf auch Mauss einst Bezug nahm. Nämlich: Wenn wir anderen Menschen etwas Gutes tun, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese uns auch Gutes tun oder zumindest nichts Böses. Das heißt also, es hat – ganz unabhängig vom Schenken – Vorteile, wenn ich mich anderen gegenüber positiv verhalte.
Zum anderen – und dieser Begriff wird in diesem Zusammenhang auch immer wieder diskutiert – geht es um Altruismus. Dahinter steckt die Idee, anderen zu helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. An dieser Stelle können wir natürlich darüber sprechen, ob es einen „wahren“ Altruismus überhaupt gibt. Das soll hier aber nicht das Thema sein. Es geht vielmehr darum, die beiden Begriffe miteinander zu verbinden, also um den „reziproken Altruismus“.
Die Frage, die man sich selbst stellen muss, lautet nun: Tue ich etwas, um dafür eine Gegenleistung zu erhalten oder tue ich es einfach nur so? Es geht also um die Motive hinter der Handlung. Hier gibt es mit Sicherheit Personen, die sehr berechnend agieren. Ob sie damit am Ende auch Erfolg haben, bleibt abzuwarten.
Hier befinden wir uns wieder im Bereich der Motivation. Ich möchte niemandem unterstellen, dass er an Weihnachten nach dem Kalkül handelt, ein Geschenk gegen ein anderes Geschenk einzutauschen. Dennoch kommt das mit Sicherheit vor. Man würde in diesem Zusammenhang von einer extrinsischen Motivation sprechen: Das Ziel des Schenkens liegt hier außerhalb der eigentlichen Handlung. Die andere Möglichkeit ist, dass ich schenke, weil ich mich dadurch besser fühle, weil ich gerne eine gute Tat vollbringe und andere glücklich mache. Dahinter verbirgt sich dann die intrinsische Motivation. Welche Motivation nun genau hinter dem Schenken steckt, ist im Einzelfall schwer zu beantworten – meistens ist man wohl beides: teilweise extrinsisch und teilweise intrinsisch motiviert.
Die Frage unterstellt natürlich ziemlich gemeine Absichten, aber ich kann mir das durchaus vorstellen. Ich kann dem Gegenüber mit meinem Geschenk zum Beispiel deutlich machen, dass er sozial und finanziell unter mir steht. Hier schwingt vielleicht die Botschaft mit: Du müsstest für dieses Geschenk lange arbeiten, ich aber schenke es dir einfach so zu Weihnachten. Das ist ziemlich gehässig, soll aber ab und an vorkommen. Auch bei dem einen oder anderen Unternehmen – schließlich verschicken auch sie in diesen Tagen Geschenke an ihre Geschäftspartner und Zulieferer – könnte ich mir ein ähnliches Kalkül vorstellen.
Welche Gefühle durch ein Geschenk hervorgerufen werden, dürfte aber trotzdem und vor allem davon abhängen, ob der Schenkende und der Beschenkte sich in Bezug auf die Norm des Schenkens einig sind. Wenn es zum Beispiel klar ist, dass der andere mich beschenkt, um mich an ihn zu binden – denken Sie an den Bäcker, der seinem Kunden am Ende des Jahres ein extra Baguette schenkt, damit dieser auch im neuen Jahr wieder bei ihm einkauft –, dann ist das für beide wahrscheinlich völlig in Ordnung. Denn hier herrscht in Bezug auf die Norm Einigkeit. Wenn wir allerdings beim Schenken normativ nicht übereinstimmen, dann kann es schwierig werden – und zu Konflikten kommen.
Eine Partnerschaft ist sehr facettenreich und durch sie werden viele verschiedene Bedürfnisse erfüllt. In einer Liebesbeziehung möchte man vielleicht mehr als in allen anderen Beziehungen – ich denke da zum Beispiel an das Verhältnis zwischen einem Unternehmen und seinem Kunden – alles richtig machen. Denn wenn der Kunde weg ist, kommt vielleicht ein neuer. Wenn aber der Partner vergrault ist, dann kann man hier durchaus mit größeren Sanktionen rechnen. Entsprechend ist die Aufregung hier auch größer.
Das Schenken in einer Beziehung wird eben sehr stark als Ausdruck von Wertschätzung – und noch viel stärker: von Empathie – erlebt. Das bedeutet, ein geeignetes Geschenk signalisiert dem Beschenkten: Mein Partner versteht mich, er kennt mich und weiß, was ich will.
Meine Erfahrungen aus einigen Jahren der Paarberatung zeigen aber, dass Partner häufig den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Gerade bei Personen, zu denen man eben ein sehr enges Verhältnis hat, weiß man oft nicht, was sie sich wirklich wünschen. Das liegt daran, dass wir unsere Partnerschaft nach einer gewissen Zeit als eine Selbstverständlichkeit wahrnehmen. Das heißt, wir hören irgendwann auf nachzufragen. Wir gehen vielmehr einfach davon aus, dass unser Partner uns liebt. Und so verliert man dessen Bedürfnisse aus den Augen.
Zu guter Letzt geht es beim Schenken in einer Partnerschaft also immer auch um die Botschaft – und hier muss man vorsichtig sein: Schenkt man, weil man den anderen liebt? Oder schenkt man, damit einen der andere liebt?
Eine schwierige Frage. Vielleicht möchten diese 21 Prozent eben ganz viele Menschen glücklich machen, daran ist ja nichts verwerfliches. Grundsätzlich lässt es sich als Außenstehender kaum beurteilen, ob ein Geschenk ehrlich gemeint ist oder nicht. Ich traue den Menschen aber durchaus zu, dass sie sehr ehrliche und auch sehr viele Geschenke machen können. Deshalb mein Ratschlag an alle, die ein glückliches Weihnachtsfest feiern wollen: Glauben Sie es einfach und freuen sie sich über das Geschenk!
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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