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Wirtschaft und Management

„Der Händler weiß, wie mit seinem Produkt umgegangen wurde“

von Redaktion, am 05.07.2013

„Big Data“ – an diesem Thema kommt heute kein Unternehmen mehr vorbei, meint Jürgen Jacob, Dozent für Marketing & Retail an der Hochschule Fresenius München. Zu groß seien die Vorteile, die sich aus dem Sammeln von Kundendaten ergäben: nicht nur das Kaufverhalten von Verbrauchern lässt sich so analysieren, auch Persönlichkeitsprofile können erstellt werden – und immer öfter wissen Unternehmen sogar, wo wir uns gerade aufhalten. Im Interview erklärt Jürgen Jacob, woher der Handel diese Informationen bezieht.

Das Thema Datenspeicherung ist derzeit in aller Munde. Die Amerikaner haben illegalerweise die Kommunikationsdaten vieler Deutscher gesammelt und ausgewertet. Auch der Handel wertet die Daten der deutschen Verbraucher aus – dabei geht es aber legal zu, oder?

In Deutschland kann man davon ausgehen, ja. Jeder Verbraucher weiß eigentlich, dass die Daten, die der Handel erhebt, auch entsprechend verwendet werden – entsprechend heißt hier: gemäß dem deutschen Datenschutzgesetz. Natürlich gibt es hier aber viel Diskussionsbedarf: Auf EU-Ebene werden derzeit heftige Debatten zum Thema „Informationelle Selbstbestimmung der Verbraucher“ geführt. Bislang ist es mit dieser Selbstbestimmung allerdings nicht weit her: Wir alle nutzen zum Beispiel den Service von Amazon, dem wahrscheinlich größten Datensammler weltweit.

Von der virtuellen Welt des Handels zurück in die reale: Nehmen wir an, ich gehe durch die Fußgängerzone, betrete ein Kleidungsgeschäft, schaue mich dort um, probiere etwas an und kaufe ein Produkt. Welche Daten werden beim und nach dem Einkaufen erfasst?

Die Technik der RFID („radio-frequency identification“) wurde bislang vor allem im Bereich der Logistik eingesetzt, seit einigen Jahren findet sie auch im Handel zunehmend Verbreitung. Die winzigen RFID-Chips senden elektromagnetische Wellen aus, die mit Hilfe eines entsprechenden Lesegeräts erkannt und in interpretierbare Informationen umgewandelt werden können. Die Reichweite der Lesegeräte beträgt rund zwölf Meter. Für den Handel eine gute Möglichkeit, schnell und unkompliziert mehr über den Verbraucher zu erfahren. Zum Beispiel darüber, wie er sich durch die Innenstadt bewegt: Ein in der Jeans eingenähter RFID-Chip sendet Signale an Empfangsgeräte aus, die in Geschäften platziert sind. Laut dem Datenschutzverein FoeBuD ist das schon bald möglich.
Fangen wir mit der Kundenkarte an, die mich identifiziert, sobald ich sie beim Bezahlen an der Kasse zücke. Es geht weiter mit den RFID-Chips, die in der Ware, zum Beispiel in der Kleidung, integriert sind und bis zu einigen DIN A4-Seiten Daten speichern können. Diese Daten können später, ohne dass es der Besitzer der Ware merkt, mit einer entsprechenden Empfangsstation ausgewertet werden. So erhält der Händler Informationen darüber, wie mit dem Produkt bislang umgegangen wurde und wie viel Zeit es an einem bestimmten Ort verbracht hat. Und dann haben wir in der Regel ja auch noch ein Smartphone in der Tasche, das per GPRS permanent weitergibt, wo ich wann und wie lange bin.

Es handelt sich also um eine sehr große Menge an Daten. Welche Vorteile zieht der Handel aus diesen Daten?

Als Unternehmer will ich natürlich mehr wissen als die anderen – und das möglichst auch noch schneller als die anderen, um dann entsprechende Maßnahmen früher ergreifen zu können. Diese Wettbewerbsvorteile kann man durch das Sammeln und Auswerten von Daten erreichen und so Konkurrenten vom Markt verdrängen.

Nun hat die Datenauswertung ja auch gute Seiten für den Kunden: ihm werden seinem Profil und seinen Bedürfnissen angepasste Produkte angeboten…

Wenn die Datensammlung ehrlich zum Vorteil des Kunden geschieht, kann man das so sehen. Allerdings steht für Unternehmen in unserer Gesellschaft, die ja so sehr auf Wachstum und Profit ausgerichtet ist, immer der eigene Vorteil an erster Stelle.

Wie sieht die Zukunft der Datenspeicherung im Handel aus?

Der Handel kommt an diesem Thema nicht vorbei. Wer als Unternehmer auf dem Markt erfolgreich sein will, für den ist „Big Data“, wie es so schön heißt, ein absolutes Muss. Es sind einfach zu viele Vorteile damit verbunden. Nehmen Sie ein Beispiel aus der Praxis: Eine Fluggesellschaft kann auf einer emotionalen Ebene viel besser mit seinen Kunden umgehen, wenn es sich darüber informiert, wie der Kunde tickt. Daten geben hier zum Beispiel Auskunft darüber, wer besonders gestresst und hektisch ist – nämlich diejenigen, die beim Boarden nicht warten, bis ihre Sitzreihe aufgerufen wird, sondern gleich als Erster am Schalter stehen. Am Computer ist diese Person identifizierbar – und man kann so entsprechende Serviceangebote für sie entwickeln.

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Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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