Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
Bewundernde Neider
von Redaktion, am 23.07.2013
Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 23.07.2013
Menschen beneiden Menschen, schon immer. Man beobachtet bei anderen etwas, was man selbst begehrt – und möchte es haben. So funktioniert Neid, könnte man meinen. Aber so einfach ist es nicht. Denn Neid wird häufig von ganz unterschiedlichen Emotionen begleitet. So fanden Psychologen heraus, dass Neid sowohl mit Bewunderung als auch mit Feindseligkeit einhergehen kann. Wann diese Gefühle auftreten, hat Julia Müller, Absolventin des Studiengangs Wirtschaftspsychologie der Hochschule Fresenius Hamburg, in ihrer Bachelorarbeit untersucht. Das interessante Ergebnis: Wen wir sympathischer finden, demgegenüber zeigen wir vor allem Bewunderung.
Der Ehrensold von Christian Wulff, Josef Ackermanns Millionengehalt – darum drehten sich nur zwei der zahlreichen sogenannten Neiddebatten, die in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit geführt wurden. In den Kommentaren, die seinerzeit in Zeitungen und Blogs dazu veröffentlicht wurden, heißt es oftmals, diese Debatten seien „etwas typisch deutsches“. Doch steht Neid überhaupt im Zentrum dieser Debatten?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Frage eher zu verneinen. In der Bachelorarbeit von Julia Müller, Absolventin der HS Fresenius Hamburg, ist nachzulesen, welchem Irrtum die Kommentatoren hier aufsitzen: Die Empörung über die Höhe des Ehrensolds im Fall Wulff sei nämlich Ausdruck von Ungerechtigkeitsempfinden und nicht von Neid, heißt es darin. Bei Wulff werde vielmehr „die Aufmerksamkeit auf die ungerecht handelnde Person und die Normverletzung gerichtet“, schreibt Müller unter Berufung auf wissenschaftliche Quellen und ergänzt: „Beim Erleben von Neid liegt der Fokus allein auf der persönlichen Unterlegenheit.“
Die Deutschen sind also nicht neidisch auf Herrn Wulff. Sie empfinden es vielmehr als ungerecht, dass er für 621 Tage im Amt des Bundespräsidenten für den Rest seines Lebens über 16.000 Euro monatliche Rente kassieren wird. Neidisch, im psychologischen Sinne, ist man dagegen dann, wenn man materielle oder immaterielle Dinge begehrt, die andere Personen besitzen – und zwar Personen, mit denen man sich im Alltag vergleicht. Für den Durchschnittsdeutschen zählt Christian Wulff eben nicht zu diesem Personenkreis.
Die Idee, dass Menschen ein Bedürfnis danach haben, sich mit anderen zu vergleichen, wurde vor allem durch den US-Sozialpsychologen Leon Festinger bekannt gemacht. Seinen Annahmen zufolge nehmen Menschen diesen Vergleich vor, um die eigenen Fähigkeiten und Meinungen bewerten zu können. Dabei macht es eben Sinn, sich mit ähnlichen Personen zu messen: Der zwölfjährige fußballbegeisterte Schüler wird nicht den Doktortitel des 20 Jahre älteren Berufstätigen neiden, aber sehr wohl den neuen Ball, den sein gleichaltriger Fußballmitstreiter geschenkt bekommen hat.
Festingers Theorie des sozialen Vergleichs bildet den Bezugsrahmen für Julia Müllers Bachelorarbeit. Darin versucht die Wirtschaftspsychologin, die derzeit in England ein Masterstudium absolviert, auch zu erörtern, welche Art von Neid entsteht, wenn Menschen sich mit ähnlichen Personen vergleichen. „Grundsätzlich setzt Neid die Motivation frei, die Lücke zwischen einem selbst und dem Beneidetem zu schließen“, erklärt Müller. Hinter dieser Motivation können dabei ganz unterschiedliche Emotionen stecken: „In verschiedenen psychologischen Untersuchungen hat man festgestellt, das Neid sowohl gutartig als auch bösartig sein kann“, berichtet die 24-Jährige.
So heißt es in diesen Untersuchungen, der gutartige Neid sei eher mit einem Gefühl der Bewunderung verbunden, der bösartige dagegen gehe mit Feindseligkeit einher. Diese Feindseligkeit wiederum bedingt eine Motivation, „die darauf abzielt, die Position des Überlegenen zu beschädigen“, schreibt Müller in ihrer Arbeit. Während gutartige Neider den Erfolg oder Besitz des anderen anerkennen, ihm mit Bewunderung begegnen und vielleicht sogar Komplimente aussprechen.
Doch unter welcher Bedingung entstehen diese Neidtypen? Mithilfe empirischer Daten hat Müller versucht, dieser Frage auf den Grund gehen. Dazu ließ sie ihre Probanden Geschichten lesen – Geschichten, in die sie sich hineinversetzen sollten, um anschließend ihre eigene Gefühlslage im Hinblick auf das Phänomen Neid zu beschreiben. 160 Personen nahmen an ihrer Online-Befragung teil. Letztlich war vor allem ein Zusammenhang besonders eindeutig: Wenn die Probanden für eine Person, die in der Geschichte dargestellt wurde, Sympathie hegten, dann reagierten sie eher mit gutartigem Neid.
„Das ist ein relativ neuer Befund“, erklärt Müller, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass aufgrund der kleinen Stichprobe nur vorsichtige Schlüsse zulässig wären. „Es könnte außerdem sein, dass die Befragten hier sozial erwünscht geantwortet haben“, so die Wirtschaftspsychologin weiter. Dennoch, interessant ist das Ergebnis allemal – und gleichzeitig ein Hinweis an alle, die sich mit Neidern herumärgern müssen: Gebt Euch sympathisch und Eure Neider werden euch bewundern!
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
Hi Julia,
danke für Deine Antwort.
Es ist mir schon klar, dass das Thema „Neidforschung“ sehr komplex ist, dashalb hab ich ja geschrieben, Du möchtest doch bitte die Person selbst, die Neid empfindet, mit in die Forschung (den ganzen Forschungskomplex) einbeziehen. Ich nehme an, dass es nicht die ganze Bachelor-Arbeit war, die ich gelesen habe – und aufgrund Deiner Antwort kann ich entnehmen, dass Du das bereits getan hast (die Personen, die Neid empfinden, einzubeziehen).
Es mag sein, dass es Situationen, bzw. Menschen gibt, die ich beneide – wenn ich davon ausgehe, dass ich diesen Neid mit Bewunderung verwechsel -. Bei dem Fall, den ich mir vorstellen soll, also die Kollegin, die befördert wurde, wäre ich aber nicht neidisch auf die Person. Wie kann ich neidisch auf eine Person sein, die ich nicht mag und die ich nie würde sein wollen? Mein Neid – wenn es denn Neid wäre – würde sich einzig auf die Beförderung beziehen. Wahrscheinlich wäre es nur ein Ungerechtigkeitsempfinden. Ich fühle mich gegenüber der Kollegin, die befördert wurde, ungerecht behandelt, denn sie mag vielleicht viel weniger gearbeitet haben als ich, und falls sie doch genau so viel gearbeitet hat wie ich, hat sie doch die Beförderung weniger verdient als ich, und zwar aus dem Grund, weil ich sympathischer bin als sie. Deshalb würde ich meine Frustriertheit in diesem Fall nicht als Neid ansehen, sondern als Ungerechtigkeitsempfinden. Oder ist Neid und Ungerechtigkeitsempfinden dasselbe?
Also, bei mir ist es so: Ich bin neidisch auf Menschen, die sehr intelligent sind und aufgrund dessen was aus sich gemacht haben und gut im Leben zurechtkommen. Wenn ich das analysiere, ist es ein ganz allgemeines, nicht sehr tiefgehendes, Gefühl gegenüber allen Menschen, die intelligenter sind als ich und mehr im Leben erreicht haben. Es basiert auf Ungerechtigkeit und Ungleichheit und führt dazu, dass ich tolle Menschen bewundere und miesen Menschen den Erfolg nicht gönnen würde, wenn diese Menschen mich denn überhaupt interessieren würden. Den Unterschied zwischen bewunderndem Neid und Bewunderung sehe ich darin, dass ich Menschen bewundere, mit denen ich aber dennoch nicht würde tauschen wollen – und dass ich Menschen bewunderungswürdigen Neid entgegenbringen würde, die genau das erreicht haben, was ich gern erreicht hätte und mit denen ich tauschen wollte – was aber im realen Leben mir noch nie untergekommen ist, denn im Leben eines anderen Menschen gibt es auch immer Vieles, was ich nicht würde haben wollen. Im Endeffekt beneide ich also nicht die Menschen selber, sondern nur vereinzelte Dinge oder Situationen. Und da selbst mit diesen vereinzelten Situationen oder Dingen auch unangenehme Nebenwirkungen verbunden sind, die meinen Neid auflösen, ist für mich persönlich Neid kein ernstzunehmender Faktor.
Neid ist ja auch erst dann ein ernstzunehmender Faktor, wenn er einem hasserfüllt entgegenschlägt. Wenn die Neidgefühle einer anderen Person dazu führen, dass dieser anfängt, Intrigen zu spinnen, um einem zu schaden.
Ich wünsch Dir weiterhin viel Erfolg,
Junia
Hi Junia,
danke für deinen Kommentar. Das Thema Neid ist sehr komplex,da mehrere psychologische Bereiche dort hineinspielen. Deshalb ist es verständlich, dass jemand ohne weiter in das Thema hineinzulesen, Schwierigkeiten haben könnte, es zu verstehen.
Normalerweise behaupten Menschen, dass sie eher nicht auf Freunde, also jemanden den sie sympathisch finden, neidisch sein könnten. Diese Antworten kann man dann mit sozialer Erwüschtheit in Zusammenhang bringen. Dass du denkst, nicht auf unsympathische Menschen neidisch sein zu können, liegt wahrscheinlcih daran, dass du eher an die gutartige Form des Neides denkst als an die bösartige. Es wurde wissenschaftlich bewiesen, dass es zwei unterschiedliche Formen gibt und über mehrere Kulturen hinweg, ist jeder Mensch dazu in der Lage diese beiden Neidformen zu empfinden.
Der gutartige Neid ist der Bewunderung, die du ja angesprochen hast, auf den ersten Blick ähnlich. Wenn man sich das allerdings genauer anschaut, sind sie nicht miteinander zu vergleichen. Der feindselige Neid ähnelt dem Ressentiment, dem typischen „nicht gönnen“.
Es geht nicht um Neid empfinden: ja oder nein; sondern darum, welche Form man empfindet. Und das hängt von allen drei Partien ab (nicht nur von deiner eigenen Person, wie du angenommen hast): dem zu beneidenden Gut, dem Neider und dem zu Beneidenden. Womit du recht hast, ist, dass manche Personen eher zu Neid neigen, als andere, worüber ich auch in meiner Bachelorarbeit geschrieben habe. Es gibt zum Beispiel die Tendenz, dass narzisstisch veranlagte Menschen eher zu Neid neigen als andere. Trotzdem steht dies nicht mit Bewunderung in Verbindung.
Ich bin mir sicher, dass auch du Neid gegen jemanden empfinden kannst, den du nicht sympathisch findest. Stell dir einmal folgende Situation vor: Du arbeitest unglaublich hart für eine Beförderung und brauchst das zusätzliche Geld sehr dringend. Du machst Überstunden, hilfst deinen Kollegen, zeigste Engagement in jedem Bereich und du bist fest davon überzeugt, dass du die Beförderung verdienst hast. Dann erfährst du aber, dass dein Kollege, den du eh nicht abkannst, die Beförderung erhält. Wissenschaftlich bewiesen, würdest du hier deutlich unangenehmere Gefühle entwickeln, als wenn es ein Kollege schafft, den du schätzt. Lies doch mal ein bisschen über die aktuelle Neidforschung, da kannst du auch etwas zum Unterschied zur Bewunderung finden.
Viele Grüße
Julia
hi Julia,
finde Deine Bachelorarbeit sehr interessant, allerdings wundert mich das Ergebnis irgendwie. Meiner Ansicht nach muss da ein Fehler vorliegen. Ich könnte z. B. niemanden beneiden, den ich unsympathisch finde. Wenn ich einfach mal von mir selber ausgehe, dann bewundere ich Leute, die ich beneiden könnte. Dass ich sie nicht beneide, sondern bewundere, hängt nicht mit demjenigen zusammen, den ich beneide oder bewundere, sondern mit mir selbst. Wenn ich ein Typ bin, der anderen nichts gönnt, der nicht sozial ist, nicht teilen kann, der nicht empathisch ist, sondern mehr an sich denkt, dann bin ich eher der Neid-Typ, als der Bewunderer-Typ.
Du solltest mal in Deine Neid-Forschung den Aspekt des Bewunderers oder des Beneiders berücksichtigen:
Vielleicht gibt es einen Unterschied, ob derjenige, der jemanden beneidet oder bewundert, ein dominanter Typ ist oder ein eher unterwürfiger Typ. Ich glaube nämlich, dass ein dominanter, aggressiver Typ eher zu Neid neigt und ein nicht dominanter, sozialer, empathischer Typ eher zu Bewunderung. Und dann könnte sich herausstellen, dass dominante Typen auch unsympatische Typen beneiden, vielleicht sogar bewundern, während nicht dominante Personen generell eher bewundern als beneiden.
Ich bin dabei nur von mir selbst ausgegangen, aber ich habe ein Problem damit, Dinge zu glauben, die sich nicht mit meinen eigenen Erfahrungen decken.
Ich hoffe, Du bist mir nicht böse.
Mit freundlichen Grüßen
Junia