Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Alle Jahre wieder: Plätzchen und Braten im Dezember, Diät und Verzicht im Januar. Warum das alles genau so sein muss

von Redaktion, am 07.12.2017

In der Konsumgesellschaft scheint das Jahr einem ganz bestimmten Marketing-Rhythmus zu folgen. Das merken wir besonders in der Vorweihnachtszeit. Die Zeitschriften sind voll mit Rezepten, Back- und Dekotipps. In den Supermärkten türmt sich die Weihnachtsschokolade. Kurz nach Weihnachten schwenken dann alle wieder in die andere Richtung: Fitness-Studios verzeichnen mehr Anmeldungen als sonst, in den Medien dominieren gute Vorsätze und Diät-Tipps. Dieser Rhythmus wiederholt sich Jahr für Jahr. Könnte es auch anders sein? Darüber haben wir mit Prof. Joost van Treeck, Diplom-Psychologe und Studiendekan für Wirtschaftspsychologie (M.Sc.) im Fachbereich Wirtschaft & Medien an der Hochschule Fresenius in Hamburg gesprochen.

„Man kann über die katholische Kirche sagen, was man will, aber hätte sie Weihnachten nicht erfunden, hätte man sich das ausdenken müssen. Wir machen in dieser dunklen Zeit all das, was uns ein Therapeut gegen Depressionen raten würde: Freunde treffen, gemeinsam singen und essen, Lichter entzünden“, erklärt van Treeck. Mit anderen Worten: Wir machen im Dezember alles richtig. Kerzen, Lichterketten, glitzerndes Lametta, Schokolade essen, gemeinsam Plätzchen backen und essen, schenken und beschenkt werden: all das hilft uns durch den dunkelsten Monat des Jahres, in dem die Sonne manchmal schon um 16 Uhr untergeht. Ganz abgesehen von all den Essens-Versuchungen, die uns im Dezember ständig begegnen, geht es auch um das gemeinsame Erlebnis. Eine Diät im Dezember scheint damit von vornherein zum Scheitern verurteilt und taucht deshalb in keiner Zeitschrift auf.

Marketing ist auf externe Taktgeber angewiesen

Natürlich ist es auch im Januar noch dunkel und ungemütlich. Doch mit dem Jahreswechsel kommt der Wunsch nach Verzicht und gesundem Leben. Liegt das nur am weihnachtlichen Überfluss und der hektischen Adventszeit, die wir hinter uns haben? „Zum Jahresende, wenn es ruhiger wird, haben wir Zeit, das Jahr Revue passieren zu lassen. In dieser Ruhe entsteht oft der Wunsch nach Veränderung: Weniger Stress, gesünder leben, mehr bewegen, mehr auf sich achten. So entwickeln sich die Vorsätze für das neue Jahr“, erklärt van Treeck. Auf dieses Gefühl springen dann die Marketingabteilungen und Medien auf. „Das Kernthema von Marketing lautet: Ist ein Produkt relevant für den Kunden? Nicht-faktische Dinge haben normalerweise keine oder nur wenig Relevanz für den Kunden. Erst eine tatsächliche Aufgabe macht das Produkt wichtig. Nur, wenn ich einen Kuchen backen will, brauche ich Backpulver. Eine Waschmaschine interessiert mich nur, wenn meine kaputt ist“, so van Treeck weiter. Der Versuch, Produkte über Sehnsüchte (zum Beispiel nach einem schlankeren Körper) und Wünsche (zum Beispiel nach der großen Liebe) zu verkaufen, sei vor allem der Versuch, nicht- faktische Themen auf die Agenda zu bringen. Um mehr Kaufanreize schaffen zu können, sei Marketing deshalb auf externe Taktgeber angewiesen, die einem Thema Relevanz geben könnten. „Jeder weitere Termin, jedes weitere Thema ist für die Marketingabteilungen super. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren auch Halloween, Valentinstag und jetzt aktuell auch der Black Friday so groß“, so van Treeck.

Mit „Verzicht“ und „Diät“ entsteht auch nach Weihnachten wieder ein gemeinsames Thema für alle

Der Versuch, im Januar den Wunsch „schlanker Körper“ über zu kaufende Produkte oder Dienstleistungen zu befriedigen, werde Anfang Januar auch durch die Medien verstärkt. „Wenn alle auf diesen Zug aufspringen, entsteht auch nach Weihnachten wieder ein Thema, an dem man sich festhalten kann, das zusammenschweißt, weil alle darüber reden“, glaubt van Treeck. Der Mensch sei im Kern ein Gewohnheitstier, das Veränderungen verabscheue. Deshalb folgten auf die Diät im Januar dann wieder die Ausschweifungen rund um Karneval mit der anschließenden Fastenzeit. Dieser immer gleiche Jahresablauf mit festen Ritualen gebe uns Stabilität und Halt.

Antizyklisches Marketing sei ein Nischenprodukt, das aber manchmal funktionieren könne.  Auch wenn 80 Millionen Deutsche im Dezember Weihnachtsdekoration benötigten, gebe es vielleicht trotzdem einige, die im März Christbaumkugeln kaufen möchten. Der 28-jährige Ryan Grant aus den USA hat mit dieser Methode ein Vermögen gemacht. Der Trick: Er kaufte in verschiedenen Läden Sonderangebote auf und verkaufte diese wieder auf Amazon. Besonders gut sei saisonale Ware gelaufen, also reduzierte Weihnachtsschokolade nach Weihnachten oder Halloween-Süßigkeiten nach Halloween, berichtete „Die Welt“. Ryan Grant hat demnach mit dieser Methode so viel Geld verdient, dass er seinen Job kündigen konnte. Man kann also Glück haben. Und bald werden die Weihnachtssachen wieder im Angebot sein.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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