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Wirtschaft und Management

Brillenbügel – frisch gedruckt

von Redaktion, am 04.02.2014

Die Welt des Handels, so wie wir sie kennen, könnte bald der Vergangenheit angehören: Der 3D-Druck ermöglicht es dem Konsumenten, die Seite zu wechseln und zum Produzenten zu werden. Auch Jürgen Jacob, Handelsexperte und Dozent an der Hochschule Fresenius München, traut der neuen Technologie eine Menge zu. Im Interview erklärt er, wie das dreidimensionale Drucken funktioniert – und warum wir mit einem 3D-Drucker im Haus alltägliche Reparaturen schneller und effektiver erledigen können.

Durch den 3D-Druck soll die nächste industrielle Revolution ausgelöst werden. Können Sie die technischen Abläufe in einem 3D-Drucker näher erläutern?

Bei dieser neuartigen Produktionstechnik setzt ein Druckkopf Schicht für Schicht Material übereinander, so dass am Ende ein dreidimensionaler Gegenstand entsteht. Der Gegenstand wurde zuvor am Computer modelliert. Dabei wurde auch festgelegt, wie viel von welchem Material während des Druckens aufgetragen wird. Man muss sich das vorstellen, wie bei einem Baumkuchen: Dort werden auch schichtweise die Zutaten zu einem ganzen Stück Kuchen zusammengesetzt.

Der Baumkuchen ist ein gutes Stichwort: Forscher haben es tatsächlich geschafft, Essen zu „drucken“. In die verschiedenen Patronen ihres 3D-Druckers haben sie bestimmte Zutaten, wie Mehl, Zucker oder Ei, gefüllt und diese dann zu einem Produkt, zum Beispiel einem Pizzateig, zusammengeführt. Mal abgesehen von Essensprodukten: Was lässt sich bislang sonst schon „drucken“?

Derzeit wird noch viel experimentiert. Es gibt bisher noch kein Produkt, das in großen Stückzahlen „gedruckt“ wird. Die Kosten hierfür sind schlichtweg noch zu hoch und es gibt hinsichtlich der verwendbaren Materialien und der Größe des herzustellenden Produkts Grenzen.

Was aber schon ganz gut funktioniert, ist die Herstellung von kleinen Bauteilen und Accessoires. Das wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Es gibt einfach so viele Anwendungsmöglichkeiten, auch im eigenen Haushalt. Nehmen wir das Beispiel eines Staubsaugers, dem ein Bauteil herausgebrochen ist und der deswegen nicht mehr einwandfrei funktioniert. Normalerweise wäre in so einem Fall eine Servicekraft des Staubsaugerunternehmens vorbeigekommen, hätte das Ersatzteil mitgebracht und das Gerät repariert – eine teure und zeitaufwendige Angelegenheit für den Besitzer.

Mit einem 3D-Drucker zuhause könnte es Zukunft einfacher gehen: Der Verbraucher lädt die Datei des Staubsaugerteils, die der Hersteller freundlicherweise im Internet zur Verfügung stellt, herunter und wandelt sie mit Hilfe seines 3D-Druckers in ein physisches Produkt um – vor Ort, in der passenden Größe und genau dann, wenn es Bedarf gibt. Einbauen kann der Verbraucher es anschließend selbst, er muss sich ja nur die Einbauanleitung ausdrucken – hier kommt dann auch nochmal der klassische Drucker zum Einsatz.

Man muss sich also zunächst damit begnügen, dass sich mit einem 3D-Drucker nur kleinere Gegenstände herstellen lassen. Hat die neue Technologie tatsächlich das Potenzial, die Industrie umzukrempeln?

Auf jeden Fall! Sie müssen sich doch nur einmal vor Augen führen, für wie viele Haushaltsprodukte Ersatzteile gebraucht werden und wie häufig das vorkommt. Auch im industriellen Bereich herrscht eine beständige Nachfrage nach Bauteilen. Denken Sie an den abgenutzten Bohrmaschinenaufsatz in der Fabrik oder den gebrochenen Brillenbügel und den verlorengegangenen Jackenknopf im Haushalt. In all diesen Fällen kann man in Zukunft ohne langes Warten und ohne den Ort wechseln zu müssen ein Ersatzteil herstellen oder vielleicht sogar ein individuelles neues Bauteil entwerfen. Das wird den Handel und die Industrie in vielen Bereichen erheblich verändern.

Finden wir einen 3D-Drucker also bald in den meisten deutschen Haushalten?

Der Diffusionsprozess bei der Durchsetzung neuer Technologien ist immer derselbe: Erst setzen sich die Innovatoren und Early Adopters damit auseinander, dann wird nach und nach auch die große Masse in den Bann gezogen. So wird das auch bei der 3D-Drucktechnik sein. Allerdings geht der Diffusionsprozess in der heutigen Zeit viel schneller vonstatten als noch vor 50 Jahren. Wer heute als Unternehmen nicht gleich dabei ist, wird schnell „zum alten Eisen“ gehören, weil der Vorsprung der anderen uneinholbar wird.

Viele sprechen davon, dass sich durch die 3D-Drucktechnik die klassische Rollenverteilung im Handel – also der Konsument konsumiert, der Produzent produziert – verändern wird. Experten sagen hier gar das Zeitalter des „Prosumers“ voraus. Wie sehen Sie das?

Dass der Konsument zeitweise die Seiten wechselt und die Rolle des Produzenten einnimmt – so ist der Begriff „Prosumer“ zu verstehen –, ist im Medienbereich ja längst Realität. Schauen Sie sich die heutigen Internetstars an, die berühmt sind, weil sie auf YouTube von der Masse begehrten Content produzieren und kostenlos bereitstellen. Viele von ihnen scharen heute hunderttausende Fans hinter sich und können von ihrem Internetruhm gut leben.

Etwas Ähnliches wird auch die 3D-Drucktechnik auslösen – nur dass es dann nicht um digitale sondern um physische, haptisch erlebbare Produkte geht. Ich möchte das an einem fiktiven Beispiel verdeutlichen: Eine Person entwirft an seinem Computer ein Schmuckstück, produziert 20 Stück davon mit seinem 3D-Drucker und verschenkt es an Freunde. Das Schmuckstück wird in der Öffentlichkeit gesehen und kommt so gut an, dass immer mehr Leute es haben wollen – und schon lässt sich damit Geld verdienen, zum Beispiel indem man die Datei zum kostenpflichtigen Download anbietet. Das Zeitalter des Prosumers findet mit dem 3D-Druck also seine konsequente Fortsetzung.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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