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Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Mitarbeitermotivation ist ein wichtiger Energiesparfaktor

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von Alexander Pradka, am 01.07.2019

Im Verbundprojekt „ECHO“ hat die Hochschule Fresenius gemeinsam mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) und dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung (HIS-HE) untersucht, inwiefern Hochschulen in Deutschland Energie sparen, wenn man ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend motiviert. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit rund 425.000 Euro.

Im Zentrum der Forschung stand die Frage, wie gezielte Kampagnen, die auf konkrete Verhaltensänderungen abzielen, die Energieeffizienz einer Hochschule verbessern können. Die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen, sagt Prof. Dr. Andreas Homburg, der von Seiten der Hochschule Fresenius das Projekt verantwortet hat. Der Leiter der Psychology School in Wiesbaden kennt aber auch die Hürden und betont, dass die Potenziale noch nicht ausgeschöpft sind. Zunächst waren für die Teilnahme am Projekt zehn Hochschulen bundesweit ausgewählt worden, im Verlauf des zweistufigen, mehrjährigen Projekts sprangen vier ab. Die Ergebnisse stammen von Untersuchungen in den sechs verbliebenen Hochschulen. Aus dem Projekt ist ein Leitfaden für andere Hochschulen entstanden, außerdem wurden Materialien zur weiteren Verwendung entwickelt. Diese sind unter https://www.echo-energie.de zu finden. adhibeo sprach mit Prof. Dr. Andreas Homburg über das Forschungsprojekt.

Herr Homburg, wie ist die Idee zu „ECHO“ entstanden?

Prof. Dr. Andreas Homburg: Es gab schon in den Jahren 2008 bis 2010 zwei spannende Forschungsprojekte des ECHO-Teams: In „Change“ wurde eine erste nutzerfokussierte Energieeffizienzintervention für Hochschulen geschaffen. In „BINK“ wurden genauer untersucht, wie der soziale Prozess gestaltet werden muss, um Nachhaltigkeit in Organisationen hinein zu tragen. ECHO ist eine Weiterentwicklung. Wie können wir energieeffizientes Verhalten in Hochschulen fördern? Im Fokus stehen so genannte „Change Agents“, die dazu befähigt werden sollen, nachhaltige Entwicklungsprozesse gezielt zu initiieren und dauerhaft zu begleiten. Das heißt also, Potenziale im Nutzerverhalten zu erkennen, geeignete Maßnahmen nach psychologischen Erkenntnissen auszuwählen und diese zu etablieren.

Welche Gründe sprechen dafür, gerade Hochschulen in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen?

Vorab: Es geht hier um die Untersuchung von Büro- oder Verwaltungsgebäuden, hier bestehen große Einsparpotenziale, die es zu heben gilt. Forschungslabore oder Serveranlagen waren für uns nicht relevant. Das wäre vielleicht Thema für ein Folgeprojekt. Punkt eins: Viele Universitäten und Hochschulen erfüllen die praktische Voraussetzung für das Projekt sehr gut: wir wollten immer Interventions- und Kontrollgebäude zum Forschungsgegenstand machen – die aber jeweils räumlich auch weit genug auseinander liegen, damit in den Kontrollgebäuden keiner etwas von den Kampagnen in den Interventionsgebäuden erfährt. Nutzen konnten wir die Daten von sechs Interventions- und 11 Kontrollgebäuden. Punkt zwei: Bildungseinrichtungen haben eine besondere Verpflichtung dem Klimaschutz gegenüber und nehmen eine Vorbildfunktion ein. Sie können andere in punkto Klimaschutzziele motivieren. Es gibt außerdem ein sehr aktives Netzwerk an Hochschulen, die eine nachhaltige Entwicklung anstreben.

Oft geht es bei den Themen Klimaschutz und Energieeffizienz ja zum Beispiel um Veränderungen der Substanz, um bauliche Maßnahmen. Bei ECHO steht ja etwas anderes im Vordergrund.

Richtig. Wir wollten feststellen, welche Auswirkungen eine Kampagne mit entsprechenden Materialien auf das Verhalten des Einzelnen hat. Können wir damit Mitarbeiterinnen Mitarbeiter motivieren, beispielsweise das Licht oder den Rechner auszumachen, eher eine Stoßlüftung als eine Kipplüftung vorzunehmen, die Heizung runterzudrehen oder abschaltbare Steckerleisten zu verwenden? Und was spart die Hochschule dabei an Emissionen?

Wie ordnen Sie den psychologischen Ansatz von ECHO in den Gesamtkontext von Energiesparmaßnahmen ein?

Es gibt grundsätzlich viele sich ergänzende Ansatzpunkte, Emissionen zu mindern. Angefangen bei Gesetzen, Verordnungen, Verboten – diese wirken strukturell und langfristig – und sie sind immer von oben diktiert, müssen aus diesem Grund erst einen gewissen Grad an Akzeptanz gewinnen. Bauliche Maßnahmen dauern ebenfalls oft lange – wenn sie denn überhaupt umsetzbar sind – und sind teuer.
Die Kampagnenarbeit, die wir untersucht haben, verfolgt einen anderen Zweck: Indiviudelle Wirksamkeitsüberzeugungen, Normen und letztlich Gewohnheiten sollen gefördert werden. Damit sind zwei weitergehende Hoffnungen verknüpft: Zum einen, dass Vorbilder andere bewegen und sich das Motto „Alle machen mit“ durchsetzt, zum anderen, dass ein so genannter „Spill-Over-Effekt“ eintritt: Das heißt, das, was ich am Arbeitsplatz mache, mache ich auch zu Hause, empfehle es im familiären und Freundeskreis weiter. Schließlich wirken Kampagnen auch direkt und schnell – und kosten vergleichsweise wenig. Die Einführung und dauerhafte Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen ist als sozialer Prozess zu verstehen. Verschiedene Akteurs- und Zielgruppen mit unterschiedlichen Ausgangslagen und Funktionen müssen zueinander finden und interagieren.

Sie haben die „Change Agents“ bereits angesprochen. Wer soll das im Idealfall sein? Ist es schwierig, die geeignete Person zu finden?

In der Tat müssen wir da einen Spagat schaffen. Wir bräuchten „Influencer“, das heißt kommunikationsstarke Typen, die gleichzeitig aber eine glaubwürdige technische Expertise haben. Die haben wiederum Ingenieure. Menschen, die beides in sich vereinen, sind nicht immer leicht zu finden – was weder in die eine noch in die andere Richtung abwertend gemeint ist. Berufsbilder unterliegen gerade im Energiesektor aktuell starken Veränderungen – auch in Bezug auf die Stärkung so genannter Soft Skills. Man muss sich die Frage stellen: Auf wen hört man eigentlich? In der Sozialpsychologie nennt man das „Minderheiteneinfluss“. Wie muss die Minderheit agieren, damit die Mehrheit sie ernst nimmt? Change Agents müssen ein gutes Fachwissen haben, langfristig, beständig und widerspruchsfrei argumentieren, sie müssen gut vernetzt sein und partizipativ, also nicht direktiv, kommunizieren. Sie sollten Vorbild sein und andere mitnehmen können. Ein „Top-Down-Prozess“ wäre aus meiner Sicht kontraproduktiv.

Wie sind Sie bei ECHO konkret vorgegangen?

Es gab zunächst eine Initialphase, in der maßgeschneiderte Energieeffizienzkampagnen entwickelt und umgesetzt wurden. In der Heizperiode 2016/2017, von Oktober bis März, wurde dann die Energiesparkampagne durchgeführt. An den beteiligten Hochschulen wurden mehrere Interventions- und Kontrollgebäude ausgewählt. Jede Hochschule hat dort getrennt für Strom und Wärme Zählerdaten in einer Datenbank erfasst. Um die Wirksamkeit der Kampagne auch anhand objektiver Kriterien bewerten zu können, sind die zugehörigen Verbrauchsdaten der Vorjahre abgefragt worden, dies reichte zurück bis ins Jahr 2011. In zweiten Phase der internen Diffusion fand eine Ausweitung auf weitere Gebäude statt, es gab Auffrischungskampagnen. Gemessen wurde dann nochmals in der Heizperiode 2017/2018, wieder von Oktober bis März. Insgesamt wurden mehr als 2.600 Datensätze ausgewertet, davon 550 im entscheidenden Zeitraum Oktober 2016 bis März 2018.

Mit welchem Ergebnis?

Über alle betrachteten Einrichtungen hinweg verzeichnen wir nach konservativer Schätzung CO2-Einsparungen in Höhe von 203 Tonnen. Konservativ heißt, dass Ausreißer keine Berücksichtigung gefunden haben. Im Bereich Strom ließen sich Einsparungen von fünf Prozent realisieren. Das ist schon mal ein Erfolg, aber hier müssen wir konstatieren, dass das maximal erreichbare Potenzial bei circa 18 Prozent liegt. Wir müssen prüfen, woran das im Einzelnen gelegen haben mag. Auch an Hochschulen steigt beispielsweise aufgrund des Siegeszuges der Digitalisierung der Verbrauch. In diesem Sinne ist auch eine geringere Einsparung oder sogar eine Stagnation schon als Erfolg zu bezeichnen. Anders sieht es bei der Wärme aus: Da verzeichnen wir Einsparungen in Höhe von 6,5 Prozent und das maximal erreichbare Potenzial sehen wir bei neun Prozent. Damit sind wir natürlich sehr zufrieden.

Welche Maßnahmen der Kampagne sind besonders gut angekommen?

Zunächst ist durch das Forschungsprojekt eines klar geworden: Singuläre Maßnahmen, Einmalaktionen wie Plakate aufhängen bringen nicht den gewünschten Erfolg. Ganz wichtig ist das Nachhalten, Wiederholen, bis sich Verhaltensweisen automatisiert haben und diese zur Gewohnheit werden. Hinsichtlich der verwendeten Materialien haben befragte Mitarbeiter im ersten Kampagnenjahr solche am hilfreichsten bewertet, die direkte Rückmeldung geben, wie das Energiesparthermometer, solche, die Optionen eröffnen wie die abschaltbare Steckerleiste – und solche, die Hintergründe zu Energiespartipps und Verhaltensmöglichkeiten aufzeigen wie die Broschüren. Im zweiten Kampagnenjahr kamen dann eher Poster und Aufkleber zur Geltung. Das ist insofern nicht überraschend, da sie eine Erinnerungsfunktion übernommen haben.

Herr Homburg, noch einmal in einem Satz: Welches Fazit ziehen Sie aus dem Forschungsprojekt?

Interventionen zum Klimaschutz in Organisationen sind insbesondere dann wirksam, wenn sie darauf abzielen, alltägliche Handlungsgewohnheiten zu verändern und wenn sie in eine systematische Interventionsstrategie eingebettet sind.

Über den Autor

Alexander Pradka
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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